See der versunkenden Nadelwälder

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Es war irgendwann im Januar 2009 als mein Telefon klingelte und sich Gary Hilson am anderen Ende der Leitung meldete. Nach dem üblichen Smalltalk über das gegenseitige Wohlbefinden, kam er zur Sache. Er habe einige Plätze am Rainbow Lake gebucht und wollte mal fragen, ob Meik und ich vielleicht Lust hätten mitzukommen.Was für eine Frage? Angesichts der im Internet kursierenden Bilder von wahren Monsterkarpfen die in diesem See ihre Bahnen schwimmen, hatten wir natürlich Bock mitzufahren. „Wann soll es denn losgehen?“ „Und welche Plätze haben wir?“ fragte ich aufgeregt. „Januar 2010 geht es los und ich habe insgesamt 7 Plätze gebucht“ antwortete Gary. Für Meik und mich hatte er Platz 6 und 12 vorgesehen.

Wir hatten also ein ganzes Jahr Zeit uns über diesen Trip an die französische Atlantikküste Gedanken zu machen. Und das taten wir. Wobei die Tatsache, dass es sich bei dem Lac de Curton -wie der Rainbow Lake eigentlich heißt – um einen Paylake, also ein kommerziell bewirtschaftetes Gewässer handelt an dem man auf vorgebuchten Plätzen angeln muss, unsere Vorfreude in Grenzen hielt. Das Moven zu einer anderen Stelle ist dort meistens unmöglich, weil der See fast das ganze Jahr hindurch ausgebucht ist und da wir uns eigentlich eher an den großen Stauseen des Landes zu Hause fühlen, an denen wir uns frei bewegen und so den verschiedensten Gegebenheiten anpassen können wahren wir uns nicht wirklich sicher ob uns diese Art der Angelei gefallen würde. Was wenn der Platz unter den gegebenen Bedingungen nicht läuft und sich ein Großteil der Fische in einem anderen Bereich des Gewässers aufhält? Schließlich fahren wir ja im Februar und der kann auch in Frankreich ein verdammt kalter Monat sein. So beschlossen wir in den vielen Einschränkungen die das Angeln an einem solchen Gewässer mit sich bringt unsere Herausforderung zu suchen. Alain Dunaud hat einmal geschrieben „Es ist nicht wichtig wo man am Rainbow sitzt Hauptsache man sitzt überhaupt dort.“ Denn an diesem See warten die besten Karpfenangler der Welt auf einen Platz.

Die Zeit verstrich und im Dezember starteten die Vorbereitungen. Was wir in den vergangenen Monaten über das Angeln an diesem See erfahren hatten, was schier unglaublich. Man könne dort nur mit dicken Geflecht, extrem harten Ruten, 2er Haken und sogenannten“ Bottle-Rigs“ (bei dieser Methode dient eine 0,5 PET Flasche als „Subfloat“) angeln. Da die Fische so kampfstark seien, dass alle anderen Methoden zu unvermeidlichen Verlust jedes gehakten Fisches führen würden. Außerdem erfuhren wir das Rainbow Karpfen ausschließlich Boilies einer bekannten englischen Boiliemarke fressen -davon aber auch nur zwei Sorten. Wir hielten dies für schwachsinnig und beschlossen erst ein mal alles beim alten zu lassen, packten aber trotzdem einige Spulen mit Geflecht und auch ein paar PET Flaschen mit in unsere Taschen. Man kann ja nie wissen.

Einige Wochen vor Beginn der Tour stand dann auch die Crew fest mit der wir unser Paylake Debut geben würden. Mit dabei waren Christopher Paschmaus, Hauke Klein, Sascha Pingel, Gary Hilson, Steve Briggs, Max König, Meik Pyka und meine Wenigkeit. Mit diesem karpfenverrückten Haufen stand ich dann Mitte Februar 2010 zum ersten Mal am Ufer des Gewässers in dem Martin Locke keine zwei Wochen zuvor den neuen Spiegelkarpfen Weltrekord fing, einen Giganten mit über 40kg Gewicht. Der erste Eindruck war durchweg positiv. Es gab dort keine geschnittenen Hecken oder Angelplätze die mit Rindenmulch präpariert sind damit sich bloß keiner der Hunter seine Schuhe dreckig macht während er einen neuen Rekordkarpfen drillt. Nein, hier war alles naturbelassen. Und die Spuren des letzten Sturms noch deutlich zu sehen. Mit unbändiger Kraft muss er gewütet haben. Denn viele von den Pinien die hier selbst auf den kleinsten von den vielen Inseln wachsen wurden von ihm einfach entwurzelt und kippten ins Wasser. So wurde der Rainbow Lake im Laufe der Jahre zum See der versunkenden Nadelwälder was das Angeln zu einer echten Herausforderung machen sollte.

Nachdem wir uns einen ersten Überblick über das Gewässer verschafft hatten, trennten sich unsere Wege und jeder baute auf seiner Stelle auf. Mein Platz lag am Westufer des Sees und ist einer der

wenigen dem keine kleinen Inseln vorgelagert sind. Ich blickte also auf einen für den Curton relativ großen Wasserkörper mit scheinbar verhältnismäßig wenigen Hindernissen. Nur hier und da verrieten einige aus dem Wasser ragenden Ästen versunkende Bäume. Das Wetter spielte auch einigermaßen mit und war mit 11°C doch schon recht mild für diese Jahreszeit. Die Wassertemperatur betrug jedoch nur 6°C, woran die in den Wochen zuvor herrschende Kälteperiode schuld war.

Nachdem das Camp errichten war, begann ich meine Spots zu suchen. Platz 12 ist durch eine langgezogene Insel vom mittleren Teil des Sees getrennt. Diese Insel wird jedoch von zwei kleinen Kanälen unterbrochen die mein Swim mit dem dahinterliegenden Island Swim den zweifellos besten Platz des Sees verbinden. Ein Blick auf das Echo zeigte, dass auch die Wassertiefe in den Kanälen ausreichte um einen Fischwechsel zu ermöglichen. Vor jedem der beiden Wechsel postierte ich einen Rig, welches jeweils mit einem Schneemann bestehend aus einem 16mm Sinker und 16mm Pop Up beködert war. Das Beifutter beschränkte ich wegen der niedrigen Wassertemperatur auf max. zehn 16mm Boilies pro Rute. Außerdem entschied ich mich für eine 45er Mono mit einem 60er Shock Leader da sich diese nicht wie eine geflochtene Schnur in das Totholz sägt und dann nicht mehr gelöst werden kann. Nach dem Ablegen der Rigs führte ich die Schnüre nicht auf direktem Weg zum Platz zurück, sondern ließ sie schräg an der Inselkante hochlaufen und legte sie in ungefähr 1,50m Höhe um die Spitzen zweier Pinien. Ich fuhr zum Platz zurück und spannte die Schnüre jeweils so, dass sie von dem Baum bis zur Rutenspitze nicht die Wasseroberfläche berührten. Der Grund warum ich mich für diese Taktik entschied ist, das die Karpfen bei starkem Angeldruck unsere Schnüre immer mit Gefahr verbinden und mit den fliegenden Schnüren konnte ich ausschließen das die Fische die im Freiwasser umherziehen mit einer quer durch den See gespannten Leine in Berührung kommen und dann panisch das Weite suchen, statt unsere Köder einzusaugen. Eine Falle muss eben gut getarnt werden. Die anderen beiden Rigs legte ich vor Totholz. Die eine am eigene Ufer umgelenkt die andere mit fliegender Schnur an das gegenüberliegende Ufer.

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Es wurde bereits dunkel als alles für die erste Nacht vorbereitet war und ich konnte nach der langen Fahrt und dem anstrengenden Tag kaum noch die Augen offen halten. Ich trank noch ein Glas Wein, rollte mich anschließend in meinen Schlafsack und schlief wohl binnen einiger Minuten ein. Als ich wieder aufwachte fand ich mich mit einer bis ins Handteil gekrümmten Rute in einem der wackeligen Leihboote wieder und es fiel mir schwer mich in der Dunkelheit zu orientieren.An den vorhergegangenen Run oder das Aufnehmen der Rute, konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Doch jetzt war ich plötzlich hellwach! Die kleine Pinie auf der Insel hatte die Schnur bereits frei gegeben und ich war direkt über dem Fisch. In der Nacht war es bitter kalt geworden und während ich zur Rute schlafwandelte hatte ich natürlich nicht an die dicke Winterjacke gedacht. Die niedrigen Temperaturen schienen meinem gegenüber allerdings nichts auszumachen. Er kämpfte wie ein Berserker und während ich versuchte ihn so gut es ging von den Hindernissen fern zu halten startete er eine wilde Flucht nach der anderen. Nach einer gefühlten Ewigkeit schlossen sich dann endlich die Maschen meines Keschers um den massigen Schuppi. Wieder an Land zeigte ein Blick ins Maul des Fisches, dass meine Falle perfekt funktioniert hatte und das 6er Eisen sicher in der Unterlippe saß.

Nachdem der Schuppi versorgt war und in einer geräumigen Wiegeschlinge auf den Fototermin wartete, begriff ich erst was da eigentlich gerade abgegangen war. Ich hatte einen Fuffi mehr auf der Habenseite und das nach gerade einmal fünf Stunden angeln. Natürlich freute ich mich riesig und war überglücklich. Schließlich waren solche Fische ja auch der Grund, warum ich an dieses Gewässer gefahren bin. Aber es ist doch viel schöner, wenn man in solchen Momenten nicht alleine ist und die Freude über das Erlebte mit einem guten Freund teilen kann. Die anderen Jungs waren um den ganzen See verteilt und schliefen sicher tief und fest. Außerdem wollte ich meine Stöcke nicht unbeaufsichtigt lassen. So entschied ich mich noch ein wenig zu schlafen und den Anderen erst am nächsten morgen zu berichten.

Gegen zehn Uhr hatten dann endlich alle ausgeschlafen und meldeten sich nach und nach am Funk. „Und ging was?“ „Nein bei dir?“ „Auch nichts!“ ertönten die Stimmen aus dem Lautsprecher. Dann konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich nahm das Gerät und wünschte allen einen schönen guten Morgen.

„Morgen…, und ging was?“ hörte ich Meiks unausgeschlafen klingende Stimme aus dem Gerät „Ein Fisch“ antwortete ich und bemühte mich dabei, es so klingen zu lassen, als sei es nichts Besonderes. „Wie schwer?“ Meiks Stimme klang jetzt hellwach. „25,5kg Schuppi“ antwortete ich und konnte mich vor Freude kaum halten. Anschließend berichtete ich allen ausführlich von den Geschehnissen der letzten Nacht. Jetzt waren alle noch heißer als vorher. Denn obwohl wir gute Freunde sind, besteht zwischen uns – was das Angeln angeht – eine gesunde Konkurrenz.

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In den nächsten Tagen fingen Hauke und Christopher einige schöne Fische. Darunter auch einen 27kg schweren Monsterschuppi. Gegen Ende der ersten Woche verschlechterten sich die Wetterbedingungen dramatisch. Die Luft- und Wassertemperaturen sanken täglich und für das Wochenende sagten die Meteorologen Minusgrade und Schneefall vorher. Keine rosigen Aussichten also. Und doch gelang es Meik an diesem Wochenende bei einsetzendem Schneefall auf eine Rute die um drei Inseln umgelenkt war einen 26kg schweren Spiegler zu landen.

Während den folgenden Tagen gab es dann keine nennenswerten Aktionen mehr, da die Temperatur auch tagsüber unter Null Grad blieb und der See sogar teilweise zufror. Erst gegen Ende der Woche kletterte das Thermometer wieder in den Plusbereich. Doch anscheinend zu spät. Denn auch an den letzten beiden Tagen unserer Tour, blieben die Rigs unangetastet. Beim eindrehen der Ruten fragte ich mich was ich von dem Trip halten sollte (…ein Fuffi in der ersten Nacht, am dritten Tag ein kleiner Schuppi dem dann 11 Tage und Nächte ohne eine einzige Aktion folgten…) noch während ich darüber nachdachte, ob ich mit diesem Ergebnis zufrieden sein sollte, bekam ich auf die letzte Rute die noch im Wasser war einen Pieper. Wegen der geschlossenen Bremse stand der Swinger schon unter dem Blank, der Stock verneigte sich majestätisch der Wasseroberfläche und wurde beinahe aus der Aufnahme gerissen. Binnen Sekunden war ich an der Rute und kurze Zeit später im Boot und steuerte mit allem was der E-Motor hergab in Richtung Umlenker, dann ein Schwenk mit der Rute und die Schnur war frei, doch der Fisch war bereits durch mehrere Hindernisse geschwommen und die Schnur ließ sich nur mühsam vom Grund lösen. Wenn ich sie aus einem Hindernis befreit hatte, hing sie wenige Meter weiter schon in dem nächsten. Schließlich hatte ich das Glück dann aber auf meiner Seite und ich bekam die Schnur endlich frei. Der Fisch war bereits ermüdet und ließ sich ohne große Gegenwehr abschöpfen. Mit einem weiteren Schuppi im Kescher fuhr ich an Land und fühlte mich wie ein König. Alles war vergessen! Die langen Nächte, die Kälte, die 11 Tage ohne Biss.

Der Fisch brachte 24kg auf die Waage und war einer der geilsten Schuppis die ich bisher gefangen hatte. Einer von denen die man selbst unter Hundert Anderen wieder erkennen würde. Selten musste ich mir einen Fisch so hart erarbeiten, aber wer durchhält, wird irgendwann dafür belohnt und für mich wird dieser Winterschuppi immer einen ganz besonderen Stellenwert haben. Er ist mit seinen 24kg zwar keiner von den ganz großen Rainbowbullen gewesen, aber für mich war er einer der wichtigsten Fische die ich je fangen durfte.

Lebe die Freiheit

Mark Bergmann

Lac de Curton

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